My Fair Lady

Mit einer rauschenden und glanzvollen Premiere des Musicals »My Fair Lady« im Bärensaal fand eine lange und arbeitssame Vorbereitungsphase der Schramberger Musikschule ihren krönenden Abschluss.

Lange stehende Ovationen des begeisterten Publikums belohnten die Darsteller, zumeist Amateure und Liebhaber des Gesangs und der Musik, für ihre Leistung. Diese Aufführung wird die Schramberger Musikschule als Kennerin des Genres Musical weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt machen. Denn hier stimmte wirklich alles.

Ein funktional effektvolles Bühnenbild (Edgar Brändle) versetzte den Zuschauer in eine kleinstädtisch anmutende Atmosphäre der englischen Metropole von Covent Garden vor ein Gasthaus zu »King Georges«. Aussagekräftige Requisiten (Beate Staiger) schufen das entsprechende Lokalkolorit: Blumenschmuck und Obststände im Freien vor dem Gasthaus, Bücherwände, Blumenkübel, Couch und Harmonium in Professor Higgins Eigenheim. Und schließlich unterstrichen eine perfekte Kostümierung und Maske (Regina Wöhrle, Annegret Herrmann, Sabine Dieterle und Silke Gökoglu) die soziale Staffelung der Personen und zeigten vor allem, wie sich Eliza Doolittle vom einfachen Blumenmädchen zu der perfekten Dame wandeln konnte.

Aber auch Tontechnik (Wolfgang Peter) und Lichttechnik (Dennis Dieterle) sorgten für einen vollkommenen Transfer des Bühnengeschehens auf das Publikum. Hier stimmte wirklich alles und man darf die Schramberger Musikschule zu dieser beispielhaften kulturellen Leistung beglückwünschen, in der sich so viele gesangliche und musikalische Kräfte in einer mustergültigen Kooperation bündelten und den Beweis erbrachten, dass man gemeinsam wahrhaft Großes zustande bringen kann, wenn eine zündende und tragende Idee alle Mitwirkenden von Anfang an mitreißt und begeistert.

Aber natürlich ist in erster Linie eine glückliche Rollenbesetzung die Voraussetzung für das Gelingen eines solchen Projektes. Für die Hauptrollen braucht es einfach große tragende Stimmen, und da erwies sich Steffi Glunk als Blumenmädchen Eliza Doolittle als ein wahrer Glücksfall. Mit einer anschmiegsamen, wandlungsfähigen Stimme sang sie ihre bekannten Titel, wie »Es grünt so grün«, die dem Musical-Liebhaber gut im Ohr sind. Vor allem zeigte sie in der Champagnerszene vor dem Pferderennen ihr mimisches und darstellerisches Talent. Zunächst erheiterte sie das Publikum, indem sie antrainierte Phrasen von Professor Higgins wie eine aufziehbare Spielpuppe von sich gab, dann aber unversehens in ihren eigenen Jargon verfiel und ungeblümt davon berichtete, dass ihre »Tante abgemurkst worden sei«. Also hat Steffi Glunk nicht nur als Sängerin, sondern auch als Darstellerin der Aufführung Aussagekraft verliehen.

An ihrer Seite war Thomas Winterhalter als Professor Higgins der adäquate Partner. Mit seinen Songs »Bin ein Mann wie jeder Mann« war er der sichtbare Gegensatz zu der eher sensiblen Rolle der Eliza. Als Professor betrachtet er Eliza zunächst nur als Versuchsobjekt, an dem er die Wirksamkeit seiner sprachlichen Erziehungsmethode testen will, dann aber, nachdem sich Eliza von ihm abwendet, offenbart er in einem wahren Psychogramm seine wahre Natur als spröder Charakter, als steifer Hagestolz, unfähig mit einem anderen Menschen eine Beziehung einzugehen.

An seiner Seite erwies sich Gerhard Ruoff als Oberst Pickering als glückliche Ergänzung. Das Musical besteht ja zur Hälfte aus gesprochenen Dialogen, und in diesem Sprechstück war Gerhard Ruoff mit seiner kraftvollen Diktion ein wünschenswerter Partner des Professors. Denn schon von Anfang an erkennt er, dass der Professor das Mädchen Eliza wie ein Versuchsobjekt für seine ehrgeizigen wissenschaftlichen Ziele missbraucht und den Wert ihrer Person nicht erkennt.

Nicht zu vergessen sind in dessen auch die Nebenrollen. Denn sie bilden sozusagen den Rahmen der Handlung und geben damit dem Musical seinen sozialkritischen Hintergrund. Da ist in erster Linie der Müllkutscher Alfred Doolittle zu erwähnen, Elizas Vater, von Klaus Andreae in hervorragender stimmlicher und mimischer Verfassung dargestellt. Daneben darf man den Liebhaber Elizas, den jungen Lebemann Freddy Eynsford-Hill, nicht vergessen. Fabian Penalver verlieh ihm unverwechselbare Konturen. Aber auch Nebenfiguren sind zu nennen, die Obsthändler zum Beispiel (Karl Pröbstle, Arnhold Budick, Thomas Brugger), die mit ihrer temperamentvollen Gestik das Hauptgeschehen umrahmten, dann der Kneipenwirt (Thomas Weidenauer) und Mrs. Hopkins (Petra Schmälter), die mit Mimik und handgreiflichem Einsatz die Handlung beschleunigten. Aber auch Dienerrollen, vor allem Mrs. Pearce (Franziska Glatthaar) oder das Zweite Dienstmädchen (Silke Haug-Groß) verdienen besondere Erwähnung. Wenn diese Nebenrollen bei den vielen zündenden Musical-Melodien in tanzende oder marschartige Bewegung verfielen, dann wurde es auf der Bühne lebendig.

Der Regie gelang es immer wieder, durch besondere Einfälle das Publikum einzubeziehen. Zum Beispiel beim Picknick im Freien vor dem Pferderennen in Ascot, als die Darsteller ihre Ferngläser auf das Publikum richteten und den Eindruck erweckten, als würden sie das Renngeschehen hier beobachten, während die Orchestermusiker lautstark trappelten und Pferdegeräusch nachahmten.

Auch der Confetti-Chor & More der Chorgemeinschaft Frohsinn unter der Leitung von Claudia Habermann war akustisch in der rechten Bühnenecke gar nicht einmal so ungeschickt platziert. Mit seiner chorischen Begleitung gab er vielen Gesangsstücken eine solide Klangbasis, die die Wirkung der solistischen Gesangsnummern nicht unerheblich verstärkte.

Last not least darf man sagen, dass das Orchester unter der Leitung von Meinrad Löffler den instrumentalen Part sehr zuverlässig und in geradezu professioneller Qualität beisteuerte. Es brachte die verschiedenen Klangspektren in ihrer Gegensätzlichkeit gut zum Vorschein, die revueartig temperamentvollen Rhythmen und deren gefühlvolle, eher sensible Mittelsätze, zum Beispiel in den Songs »Mit 'nem kleenen Stückchen Glück« oder »Ich hätt' getanzt heut' Nacht«.

Insgesamt darf man festhalten, dass es der Musikschule Schramberg mit dieser Aufführung wieder einmal gelungen ist, ihren Ruf als Heimstätte des Musicals zu festigen und zu fördern. Neben Mike Krell als Korrepetitor ist vor allem Heinrich Hoffmann in seiner Rolle als oberster Regisseur und Gesamtleiter zu erwähnen. Ohne die energische Zielstrebigkeit dieser Personen wäre ein solches Projekt wohl niemals zustande gekommen.

Zeitungsbericht von Hans Werner im Schwarzwälder Bote vom 16.10.2014

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